Mit „Bygone Innocence“ präsentiert Göksu Kunak (geb. 1985) einen multimedialen Werkkomplex, der sich mit dem Autounfall von Susurluk im Jahr 1996 auseinandersetzt. Im verunfallten Mercedes wurden Waffen gefunden, unter den teils verunglückten Insassen befanden sich u.a. der ehemalige Polizeipräsident von Istanbul sowie ein Mitglied der Organisation Graue Wölfe, der von Interpol gesucht wurde. Der Unfall hatte nachhaltige Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Politik in der Türkei und deckte die Existenz eines kriminellen Netzwerks auf, über das schon vor dem Unfall spekuliert wurde.
Autounfall als Phänomen
In „Bygone Innocence“ setzt sich Kunak mit der Politik des Verschweigens und des Auslöschens auseinander und konzentriert sich auf den Autounfall als Phänomen. Er wird als ein Moment verstanden, in dem die Technologie ihre schlimmsten Auswirkungen zeigt und die Wahrheit hinter unserer konstruierten Realität zum Vorschein kommt. Der Begriff des Crashs wird darüber hinaus als Fetisch aufgefasst, als ein in der Zeit eingefrorener Moment, in dem sich verschiedene Beziehungen offenbaren: ein Absturz, zwischen Drama und Seifenoper.
Multimediale Schau
Die Ausstellung in Krems umfasst eine Skulptur, eine Installation, Gemälde, Drucke und eine Performance mit einer Pole-Tänzerin und einer kletternden Person. Kunaks neuer Druck „Siyah Araba / The Black Car“ ist eine symbolisch überfrachtete Assemblage von Klischees über Immigration und Bewegung, Einschränkung, Beschleunigung, Steckenbleiben und Verlangsamung in der ein Auto ein Protagonist war. „KAZA / The Accident“ zeigt ein überarbeitetes Bild des Susurluk-Unfalls. Die neue Serie von Fotocollagen von Kunak auf Fernsehbildschirmen erforscht die Nutzung bürokratischer Überwachungssysteme, die einen Unfallhergang aufklären oder (im Fall manipulativer Verwendung der Daten) Vertuschung ermöglichen sollen. Die Skulptur „Atypical Attraction“ bezieht sich auf das Anadol-Auto – das erste in der Türkei in Serie hergestellte Auto. Sie spielt auf den Moment an, in dem man in der Zeit eingefroren ist, wenn mehrere Faktoren ungewollt zusammenkommen und aufeinanderprallen. Die Bilder der Installation „DU, Maschine“ zeigen Kunaks Bewunderung für Bodybuilderinnen.
„Bygone Innocence“ entstand ursprünglich für die Galerie PİLEVNELİ, Istanbul.
Kurator: Léon Kruijswijk
In Kooperation mit donaufestival (Künstlerische Leitung: Thomas Edlinger)