„Man wird süchtig nach Kunst“
Vom Depot in St.Pölten bis nach Buxtehude und zur Kunstmeile Krems. Über die Anfänge der Artothek Niederösterreich.„Man wird süchtig nach Kunst“
Vom Depot in St.Pölten bis nach Buxtehude und zur Kunstmeile Krems. Über die Anfänge der Artothek Niederösterreich.
„Kunst ist etwas das bleibt. Quasi als unser aller Besitz. Dass das Land Niederösterreich dieses Kulturgut nicht im Depot versteckt, sondern mit uns teilen will, ist eine wunderschöne Sache“ – so gerät Christiane Krejs ins Schwärmen, wenn sie zurückdenkt an die Anfänge der Artothek. Als die Kunsthistorikerin 2001 gefragt wurde, ob sie das Projekt übernehmen möchte, war sie sofort überzeugt. „Ich fand den sozialen Gedanken dahinter wichtig und auch die Idee, zu Hause mehr Zeit für Kunst zu haben“, sagt sie.
Schatz, der der Bevölkerung gehöre
Diese Werke seien ein wahrer Schatz, der der Bevölkerung gehöre. Immerhin werde ein Teil der Steuern für Kultur ausgegeben und im Laufe der Zeit tausende Arbeiten aus verschiedensten Kunstsparten angekauft. Sie schlummern im Kulturdepot, einem riesigen Gebäudekomplex in St.Pölten und reisen von dort als Leihgaben zu Ausstellungen. Kann man die Bilder noch besser zugänglich machen? Wie können wir sie näher zu den Leuten bringen? Das fragte man sich deshalb in der Kulturabteilung des Landes. Und so entstand die Idee für diese Schnittstelle zwischen Publikum und Kunstschaffenden.
Aufbruchsstimmung in Krems
„Es war eine Aufbruchsstimmung. Die Artothek aufzubauen war eine schöne Challenge, die gut unterstützt wurde“, erinnert sich Krejs. Das Konzept ist in Österreich relativ unbekannt. Die Einrichtung der Stadt Wien beschränkt sich auf grafische Arbeiten und ist nur für Wienerinnen und Wiener zu nutzen. Deshalb schaute sich die erste Arto-Chefin Beispiele in München, in Bonn und in Frankfurt an, wo die Deutsche Bank an Stammkunden und Personal vermietet – allerdings zu sehr hoher Leihgebühr. „Ich bin bis nach Buxtehude gefahren, wo es einen netten, kleinen Bilderverleih gibt“, sagt sie. Die ersten Bildverleihe, sogenannte Graphotheken, sind in der DDR nach dem sozialistischen Motto, Kunst muss nicht gekauft werden, wir geben sie an das Volk weiter‘ entstanden.
Krejs recherchierte wie andernorts Verleihsystem und Abwicklung funktionieren und wie man Bild- und Personendatenbanken am besten aufsetzt. Versicherung und Verpackung mussten geregelt werden. Die wiederverwendbaren Kartons haben sich bis heute bewährt.
Gemma Kunst schauen!
Im September 2002 war es dann in Krems soweit: Um rund 70 Schilling pro Monat konnte man sich ein Werk aus einem Fundus von etwa 800 Bildern aussuchen. Der Standort in der ehemaligen Teppichfabrik Eybl unweit der Kunsthalle, erwies sich als Glücksfall. „Da hieß es plötzlich: Jetzt gemma Kunst schauen und da gibt es neu auch die Möglichkeit, etwas auszuleihen“, schildert Krejs.
Von Anfang an wurde das Angebot gut angenommen. Die Artothek ist seither oft der erste Schritt zur Kunst. Schulklassen liehen sich Werke für den Unterricht. Pensionisten aus dem nahen Altersheim kamen zu einem Workshop über die Arbeiten von ONA B. und die Farbe Rot. Das Weingut Salomon schmückte mit den stimmungsvollen Landschaften des Amstettner Künstlers Helmut Swoboda ihren Verkostungsraum. Rührend sei auch das Ehepaar gewesen, das in seiner winzigen Wohnung keinen Platz für das Lieblingsbild hatte, erzählt Krejs. „Nach einigen Wochen sind sie wiedergekommen. Sie hatten den Wandverbau abmontiert, um Platz zu haben“.
Nicht nur der Riesen-Nitsch
Krejs bemerkte eine Entwicklung: Viele Leute gehen mit einem bekannten Namen in die Artothek und mit einer Neuentdeckung nachhause. „Rasch ging es nicht nur mehr darum, dass man da einen Riesen-Nitsch hängen hat, sondern etwas, das einem gefällt und man selbst gefunden hat.“ Sie selbst schätzt die grafischen Arbeiten von Nitsch mehr als seine Gemälde. Außerdem habe ein Nitsch im Artothek-Katalog einen Bildungseffekt. „Es hat immer geheißen, Nitsch ist der Blutmaler und Schüttkünstler. Bei den detailreichen Tuschearbeiten sieht man: Der macht ja viel mehr“
Mittlerweile gilt als selbstverständlich: Man muss Kunst nicht besitzen, um sich an ihr zu freuen. Die Artothek trägt zur Bewusstseinsbildung bei. Christiane Krejs ist überzeugt: „Nach und nach merken die Menschen, es ist mehr dahinter als Dekoration. Und: Man kann auch süchtig nach Kunst werden.“